Ausgabe vom 09.09.2022, Seite 45
Auch beim Wirtschaften steht eine Zeitenwende an
Konsequentes Kostenmanagement mildert die Krisenwirkungen ab und stärkt die Wettbewerbsposition / Von Prof. Dr. D. M. Müller und W. Jakob
Ein straffes Kostenmanagement ist in der Food-Branche angesichts der zahlreichen Verwerfungen aktuell das Gebot der Stunde. Zunächst gilt es, Strategie und Struktur eines Unternehmens zu überprüfen.
Die Rahmenbedingungen des Wirtschaftens haben sich fundamental geändert. Food-Herstellung und -Handel stehen vor noch nie da gewesenen Kostensteigerungen, die sich zu einer Preisspirale hochzuschrauben scheinen. Makro- und mikroökonomische Hiobsbotschaften konfrontieren Lieferanten und Handel mit einer ganzen Reihe von Krisenschlagworten: Covid-19, Ukraine, Sanktionen, Energiekrise, negative Konjunkturprognosen, wachsende Schuldenquote der Nationalstaaten, Lieferengpässe und schleppende Warenverfügbarkeit durch Materialmangel und restriktive Transportlogistik, Inflation gewerblicher Erzeuger- und der Konsumentenpreise, Zurückhaltung im Einkaufsverhalten, und einen verstärkten Verteilungskampf zwischen Handel und Industrie. Die Wirtschaft steht vor bisher nicht gekannten Herausforderungen und Bedrohungen. Insbesondere der Handel ist unter Druck, Supermärkte – Gewinner in der Pandemie – verlieren und versuchen ihre Preispositionierung gegenüber den Discountern zu verteidigen.
Die Konsumenten sind verunsichert und reagieren: Private Label-Umsätze steigen deutlich. Es stellt sich die Frage, ob sich der in der Covid-19-Pandemie verzeichnete Schub von hochwertigen Markenprodukten nachhaltig fortsetzen wird. Die Unternehmer stehen dabei vor vielen Aufgaben, die gleichzeitig bewältigt werden müssen und immer öfter ein sofortiges Handeln erfordern. Insbesondere der Mittelstand ist von den aktuellen Entwicklungen besonders bedroht.
Eines jedoch gilt für alle: Steigende Kosten führen zur einer Erosion der Umsatzrendite, was erste wissenschaftliche Studien zeigen. Daraus ergibt sich Handlungsbedarf für Unternehmen, insbesondere im Food-Sektor, um die eigene Wettbewerbsposition im Nachfrage-Oligopol des FoodMarktes zu verbessern. Sind steigende Preise in der Wertschöpfungskette nicht auf die nächste Stufe übertragbar und schlagen Kostensenkungsprogramme nicht durch, drohen drastische Einschnitte, die zur Restrukturierung und Sanierung führen können.
Konsequentes Kostenmanagement ist daher das Gebot der Stunde. Je früher die Unternehmen Kostensenkungspotenziale heben, desto mehr Spielraum bleibt in der volatilen Marktsituation. Was muss das Management vor diesem Hintergrund tun?
Kosten entstehen innerhalb aller Wertströme und Funktionen im Unternehmen. In der Beschaffung, der Produktion, in der Komplexität des Produktportfolios, im Vertrieb in diversen Absatzkanälen, der Transportlogistik, innerhalb der Kundenbeziehungen und -bearbeitung. Durch die oben geschilderten aktuellen Rahmenbedingungen stehen das Management von Kostenniveau, -verlauf und -struktur verstärkt im Zentrum der Betrachtung.
Die erste Kernfrage aber ist die strategische Positionierung. Handelt es sich bei einem Unternehmen um einen kosteneffizienten Massenfertiger von Handelsmarken oder liegt ein vielleicht zu breites Produktportfolio mit mehreren Tausend Artikeln vor?
Daraus ergibt sich die strategische Ausrichtung. Hier sollte geprüft werden, ob alle bestehenden Standorte tatsächlich notwendig sind. Zudem fragen sich immer mehr Unternehmen, wie sie Abhängigkeiten von der Beschaffung abmildern können. Dabei liegt der Fokus erfahrungsgemäß vorrangig auf den kostenintensiven Prozessen. Eine weitere wichtige Fragestellung, die durch Instrumente des Controllings gelöst werden kann, ist mit welchen Produkten die Firmen tatsächlich positiv zur Entwicklung beitragen. Dabei unterstützt die Analyse mit welchen Kunden das Unternehmen denn eine positive, rentable Geschäftsbeziehung unterhält.
Für die gewählte Strategie und Struktur der Firmen müssen dann Kosten in Niveau, Verlauf und Struktur optimiert werden. An dieser Stelle erhalten auch Instrumente wie Benchmarking und Insourcing/Outsourcing einen größeren Stellenwert.
Im nächsten Schritt sollte ein konsequentes Management der Kostensituation der Unternehmen in eine integrierten Finanzplanung eingebunden werden, die mittels Schnittstellen in die Firmenplanung mit einfließt. Von besonderem Interesse sind sogenannte Quick wins, die für eine schnelle Entlastung und damit eine Ergebnisverbesserung sorgen können. Gerade für Unternehmen in einem eventuellem Vorkrisenstadium mit einer vorliegenden Verschlechterung der Renditen kann dies existenzentscheidend sein.
Parallel dazu sollten Unternehmen auch strukturelle Maßnahmen ergreifen. Beispiele hierfür sind ein einheitliches Arbeitswertsystem für alle Produktionsstandorte und -linien. Schaffung eines Standardsystems für die Beurteilung der variablen Herstellkosten aller Produkt-/Linien-Kombinationen. Basisarbeit für die Kalkulation von Artikeln und die Berechnung von Produktionskapazitäten.
- Benchmarking/Machbarkeitsstudie „Was kann wo am kostengünstigsten hergestellt werden?“ Analyse „Make or Buy?“, Berücksichtigung von veränderten Logistikkosten. Umsetzung Produktionsverlagerung und eventuell Standortschließungen. Reduzierung variabler Herstell- und fixer Personalkosten.
- Basierend auf dem bereits eingeführten groben Kennzahlsystem: Einführung KVP-System („Kontinuierlicher Verbesserungsprozess“). Kernpunkte sind: Nutzung des Mitarbeiter-Know-hows für die Optimierung der Herstellprozesse. Aufdecken und Beseitigen von Schwachstellen. Standardisierung des Prozesses nach Eliminierung der Schwachstellen. Ständige Wiederholung dieses Ablaufs. Reduzierung variabler Herstell- und Materialkosten.
- Logistik-Initiative: Gibt es eine standortübergreifende Logistik (Inbound und Outbound)? Analyse der Logistikstruktur und -kosten. Aufzeigen und Umsetzung von Optimierungspotenzialen in Beschaffungs-, Lager- und Distributionskosten. Reduzierung Logistikkosten.
- Einkaufs-Initiative: Wird der Einkauf von Bulk-Rohwaren und strategisch bedeutenden Rohwaren zentral gesteuert? Analyse der Einkaufsstrategie. Aufzeigen und Umsetzung von Ersparnis-Potenzialen. Reduzierung variabler Materialkosten
Neben der Hebung von nach innen gerichteten Potenzialen in der Leistungserstellung (Kosten und Effizienz) sollten auch die nach außen gerichteten Themen angegangen werden. Insbesondere bergen Vertriebsaktivitäten einen großen Hebel um eventuellen Verschlechterungen des Betriebsergebnisses entgegenzuwirken. Die Erfahrung zeigt, dass vor allem das Sortiments- und Kundenportfolio im FoodSektor einer Evolution unterliegt, die es alle zwei bis drei Jahre genauer zu untersuchen gilt.
Zusammenfassend werden sowohl in der Unternehmenspraxis als auch in wissenschaftlichen Studien folgende Entwicklungen im Food-Sektor erkannt:
- Das Unternehmen ist in komplexen Strukturen gebunden und wird dadurch bewegungsunfähiger und verliert auch an Profitabilität.
- Produkte und ganze Produktgruppen zeigen einen negativen Deckungsbeitrag.
- Das Pricing orientiert sich am Einzelfall – es fehlen klare Vorgaben und Ziele.
- Potenzialträchtige Produkte und Produktgruppen werden nicht erkannt und damit auch nicht gefördert.
- Das Potenzial wird im preisgetriebenen Inland gesucht – eine Exportstrategie existiert nicht.
- Schwache Sortimente werden erhalten, obwohl der Lebenszyklus abgelaufen ist.
- Es fehlt an Zukunftsprojekten und Innovation, oder es fehlt zumindest an der Umsetzung von Innovationen aus dem vorhandenen Innovationstunnel.
- Es fehlt an einer Vision und einer klar definierten Strategie.
Quick wins
Quick wins in Abhängigkeit der vorliegenden Unternehmensstrukturen sind beispielsweise:
Portfolio-/Sortiments(gruppen)-Analyse nach Umsatzbedeutung und Deckungsbeiträgen. Daraus kann sich eine erste grobe Sortimentsbereinigung ergeben.
Account-Analyse nach Umsatz-/Absatzbedeutung und Ergebnisbeitrag.
Pricing: Erkennen von Schieflagen und Preisspreizungen in der Preisstellung von Eckartikeln. Darauf basierend lässt sich das Angebotsverhalten optimieren.
Losgrößenoptimierung: Ziel ist die Reduzierung variabler Herstellkosten.
Standort- und Produktionslinienvergleich nach Effizienzkennzahlen.
Funktionsanalyse der Personal-Overheads (Zentrale und Produktionsstandorte). Analyse von Redundanzen und Synergiepotenzialen. Umsetzung funktionaler Synergien. Reduzierung fixer Personalkosten.
Verlustanalyse aller Produktionsstandorte für „teure“ Rohwaren. Ermittlung des Ersparnispotenzials pro Standort.
Sonstige Sachkosten: Analyse größerer und immer wiederkehrender Kosten.
Der Autor Herr Prof. Dr. Dominik M. Müller und Co-Autor Herr Winfried Jakob sind Partner bei Bavaria Consulting in München.
Herr Prof. Dr. Dominik M. Müller
Partner bei Bavaria Consulting
Head of Controlling und Experte für Konsequentes Kostenmanagement
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Herr Dipl.-Kfm. Winfried Jakob
Partner bei Bavaria Consulting
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